Wegweisendes EuGH-Urteil zur Verwechslungsgefahr bei Bildmarken
Veröffentlicht am: 28. April 2025
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 24. April 2025 (Rechtssache C-247/24) wichtige Klarstellungen zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Bildmarken vorgenommen. Die Entscheidung wird erhebliche Auswirkungen auf die Prüfungspraxis des EUIPO und der nationalen Markenämter sowie auf Widerspruchs- und Verletzungsverfahren haben.
Hintergrund des Falls:
Der Fall betraf einen Widerspruch des Inhabers einer älteren Bildmarke gegen die Anmeldung einer ähnlichen Bildmarke für identische Waren. Das EUIPO und das Gericht der Europäischen Union (EuG) hatten den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass trotz gewisser visueller Ähnlichkeiten keine Verwechslungsgefahr bestehe, da die konzeptionellen Unterschiede überwiegen würden.
Zentrale Aussagen des EuGH:
Der EuGH hob die Entscheidung des EuG auf und stellte mehrere grundlegende Prinzipien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Bildmarken klar:
1. Gewichtung der Ähnlichkeitsfaktoren
Der EuGH betonte, dass bei Bildmarken der visuellen Ähnlichkeit in der Regel ein höheres Gewicht zukommt als bei Wortmarken. Die konzeptionelle Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit kann die visuelle Ähnlichkeit nicht automatisch „neutralisieren“, sondern muss im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden.
Das Gericht stellte klar: „Bei Bildmarken ist die visuelle Wahrnehmung typischerweise der erste und oft entscheidende Faktor für die Erinnerung des Verbrauchers. Eine deutliche visuelle Ähnlichkeit kann daher auch bei konzeptionellen Unterschieden eine Verwechslungsgefahr begründen.“
2. Relevanz der Unterscheidungskraft
Der EuGH betonte die zentrale Bedeutung der Unterscheidungskraft der älteren Marke. Je höher die Unterscheidungskraft, desto größer ist der Schutzumfang und desto eher ist eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Bei Bildmarken mit hoher Unterscheidungskraft können auch geringere Ähnlichkeiten ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Besonders wichtig: Das Gericht stellte klar, dass bei Bildmarken mit einfachen geometrischen Elementen die Unterscheidungskraft zwar oft geringer ist, dies aber nicht automatisch zu einem engeren Schutzumfang führen muss, wenn diese Elemente in einer distinktiven Kombination angeordnet sind.
3. Unvollkommene Erinnerung des Verbrauchers
Der EuGH erinnerte daran, dass der Durchschnittsverbraucher die Marken in der Regel nicht direkt vergleicht, sondern sich auf sein unvollkommenes Erinnerungsbild verlässt. Dieser Grundsatz gilt bei Bildmarken in besonderem Maße, da der Verbraucher sich oft nur an den Gesamteindruck oder prägnante Elemente erinnert, nicht aber an alle Details.
4. Methodische Vorgaben für die Prüfung
Das Gericht gab konkrete methodische Hinweise für die Prüfung der Verwechslungsgefahr bei Bildmarken:
- Zunächst ist eine strukturierte Analyse der visuellen Ähnlichkeiten und Unterschiede vorzunehmen
- Dann sind die konzeptionellen Aspekte zu prüfen
- Schließlich ist eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Faktoren durchzuführen
- Die Warenidentität oder -ähnlichkeit kann geringere Markenähnlichkeiten kompensieren und umgekehrt
Praktische Auswirkungen:
Diese Entscheidung wird weitreichende Auswirkungen auf die Praxis haben:
- Für Markeninhaber: Stärkere Position bei der Durchsetzung von Bildmarken gegen ähnliche jüngere Zeichen
- Für Markenanmelder: Erhöhtes Risiko von Widersprüchen bei visuell ähnlichen Bildmarken, selbst wenn konzeptionelle Unterschiede bestehen
- Für Prüfer und Gerichte: Klarere methodische Vorgaben für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Bildmarken
EUPIN-Empfehlung:
Wir empfehlen Markeninhabern, ihre Durchsetzungsstrategien für Bildmarken zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Entscheidung eröffnet neue Möglichkeiten, gegen ähnliche Zeichen vorzugehen.
Für Anmelder neuer Bildmarken ist eine gründliche Recherche und Risikoanalyse wichtiger denn je. EUPIN bietet spezialisierte Bildmarkenrecherchen an, die die neuen Kriterien des EuGH berücksichtigen.
Für eine detaillierte Analyse der Entscheidung und ihre Auswirkungen auf Ihren spezifischen Fall kontaktieren Sie bitte unsere Markenrechtsexperten.